Bereits vor 40 Jahren begann die Planungsgeschichte rund um den Bahnknoten Basel – für lange Zeit zeichneten Ingenieure für die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur verantwortlich und leisteten einen wichtigen Beitrag. Als Architekt und Stadtplaner geht Herzog & de Meuron über eine rein technisch-quantitative Ebene hinaus und stellt eine ganzheitliche und konkrete Verknüpfung mit der Lebenswirklichkeit der Stadt her.
Engpässe im Metropolitanraum Basel
Der Metropolitanraum Basel gehört neben Zürich und Genf/Lausanne zu den drei grossen Wirtschaftsmotoren der Schweiz. In der Mitte Europas gelegen, verdichten sich in Basel Verkehrsträger zu Wasser, zur Luft, auf der Strasse sowie besonders auch auf der Schiene zu einem internationalen Verkehrsknoten und intermodalen Umschlagplatz. Basel ist für den Import-, Export- und Transitverkehr aus nationaler Warte “das Tor zur Schweiz”. Von grösster Wichtigkeit ist die Nord-Süd-Achse, deren Stränge gebündelt durch das enge Territorium Basels geführt werden. Diese Transitachse wird in Zukunft weiter stark an Bedeutung gewinnen. Aufgrund der geografischen Grenzlage spielt beim Personen- und Güterverkehr nicht nur der Binnenverkehr, sondern auch der Verkehr von und nach Frankreich und Deutschland eine eminent wichtige Rolle.
In der heutigen Situation in Basel zeichnen sich Engpässe bei der Bewältigung des wachsenden Güter- und Personenverkehrs ab. Der Bahnhof Basel SBB erreicht wegen der stetig zunehmenden Personenströme seine Kapazitätsgrenze. Zudem hat die Region Basel im Gegensatz zu anderen Metropolitanregionen kein effizientes S-Bahnsystem. Das Angebot im regionalen Personenverkehr ist relativ bescheiden und wenig komfortabel. Die sternförmig um Basel verlaufenden Siedlungsäste sind zwar ans Zentrum angeschlossen, jedoch nicht untereinander verbunden. Es gibt nur wenige Direktverbindungen, da der Bahnhof Basel SBB und der Badische Bahnhof überwiegend als Sackbahnhöfe genutzt werden. Lange Warte- und Umsteigezeiten senken die Attraktivität des S-Bahnsystems und damit der Region als Siedlungs- und Wirtschaftsraum. Das wichtigste Bindeglied im Zentrum fehlt und das Netz bleibt dadurch weit hinter seiner möglichen Leistungsfähigkeit zurück.
Verbindung der trinationalen Basler Agglomerationen
Wenn die Region sich als organisches Ganzes entwickeln soll, braucht es starke Siedlungsäste, die über ein pulsierendes Zentrum direkt miteinander verbunden sind. Dazu braucht es ein leistungsfähiges S-Bahn-Netz mit einer Bahninfrastruktur aus einem Guss, die das räumliche Gefüge spiegelt. Die bisherige Netzabdeckung ist lückenhaft – vor allem im Zentrum gibt es unerschlossene “Funklöcher”. Der Bahnknoten wird die Agglomeration besser vernetzen, einen direkten Zugang ins Stadtzentrum schaffen, eine raumplanerisch sinnvolle Siedlungsentwicklung fördern und das Verkehrswachstum umweltverträglich aufnehmen. Dafür wurde von Trireno, der Planungs- und Koordinationsplattform der deutschen und französischen Verkehrsbehörden, ein grenzüberschreitendes Angebotskonzept für den regionalen Personenverkehr entwickelt, das mit intensiv getakteten, umsteigefreien S-Bahnlinien die “Hotspots” in der gesamten trinationalen Agglomeration und im Zentrum verbindet.
Erschliessung der Basler Innenstadt
Das “Herzstück” ist das lebensnotwendige Teilstück im Kreuzungspunkt der sieben Äste der S-Bahn und bildet den fehlenden “Schlussstein” im S-Bahnsystem. Wenn das Zentrum von Basel weiterhin pulsieren soll, wenn es weiterhin ein lebendiger Anziehungspunkt für Shopping und Kultur, für Wohnen, Arbeit und Gewerbe bleiben soll, muss es direkt erschlossen und gut “durchblutet” werden. Die Durchmesserstrecke, das sogenannte “Herzstück”, stellt dies sicher. Die drei Bahnhöfe Basel SBB, Badischer Bahnhof und Bahnhof St. Johann werden unterirdisch verbunden und das Stadtzentrum wird mit neuen Haltestellen erschlossen. Eine Ringlösung hingegen würde die Mitte Basels wie ein Wall umschliessen, wie ein gallisches Dorf wäre das Zentrum isoliert von seiner Umgebung, der metropolitanen Agglomeration Basel.
“Basel Mitte” – eine Haltestelle mit voraussichtlich weit über 50’000 Passanten pro Tag – wird neben dem Bahnhof Basel SBB und dem Badischen Bahnhof zu einem weiteren wichtigen Bahnhof in Basel. Die Aus- und Eingänge aus dem Untergrund sind präzise im Stadtkörper platziert. Sie liegen dort, wo sich Personenflüsse bereits heute bündeln, an signifikanten Orten, die für den Lebensalltag der Menschen in der Region relevant sind: direkt an der Mittleren Brücke, dem Angelpunkt zwischen Gross- und Kleinbasel, in der alten Hauptpost, einem architektonisch markanten Ort an strategischer Lage zwischen Marktplatz und Barfüsserplatz und im Spiegelhof, der dadurch zum Eingangsportal der Universität und der universitären Spitalkliniken wird.
Wenn nur noch ehemals industrielle Gebiete – wie das Klybeck im Norden Basels – Raum für Transformation und Entwicklung der Stadt bieten, dann müssen genau diese “Stadtteile im Werden” durch neue Haltestellen direkt erschlossen und eng mit dem bestehenden Bahnnetz verknüpft werden. Die zweite neue Tiefhaltestelle – Klybeck – kommt an der Schnittstelle vom historisch dicht besiedelten Matthäusquartier zu dem sich erst in Entwicklung befindenden Klybeck-Quartier zu liegen. Die Zugänge sind einerseits am bereits heute wichtigen Umsteigeknoten am Ende der Dreirosenbrücke geplant und andererseits inmitten des Klybeck. Optional könnte ein zusätzlicher Verbindungstunnel unter dem Rhein den Novartis Campus direkt erschliessen.
Aufwertung der Bahnhöfe
Die neuen S-Bahnlinien werden in beiden Fernbahnhöfen Bahnhof SBB und Badischer Bahnhof oberirdisch aufgenommen – auf kostenintensive Tiefbahnhöfe wird verzichtet. Dies bedingt jedoch eine Neuordnung der Gleisfelder und eine notwendige Anpassung der Bahnhöfe mit einer umfassenden Aufwertung: Eine Transformation der Bahnhöfe in multimodale Verkehrshubs für viele verschiedene Verkehrsformen wie Fernbusse, Car- und Velosharingund auch eine bessere fussläufige Einbindung ins Stadtgefüge.
Im Westen des Bahnhof Basel SBB tut sich durch den erforderlichen Umbau des Geleisfeldes eine grosse Chance auf: Eine neue, überbreite Margarethenbrücke – eher ein Platz als eine Brücke – könnte zu einem zusätzlichen Bahnhofsportal werden. Die Achse Margarethenbrücke-Innere Margarethenstrasse eröffnet eine viel direktere Anbindung an die Innenstadt, als dies bislang gegeben war. Hierdurch ergibt sich die einmalige Chance, den Bahnhof Basel SBB so nah wie nie zuvor ans historische Stadtzentrum zu rücken und eng mit dem Stadtraum zu verweben. Herzog & de Meuron, 2018