Grüne Oase im Atrium
Das um ein grünes Atrium herum angelegte Gebäude steht auf Stelzen und schwebt leicht über dem Boden. Der vierstöckige Holzrahmenbau mit Stampflehmdecken öffnet sich über einen breiten Durchgang im Süden zu einem vom Landschaftsarchitekten Piet Oudolf gestalteten Garten. Entlang eines geschwungenen Kieswegs sorgen hohe Sträucher, Gräser, blühende Stauden sowie Rankpflanzen entlang der Innenhoffassaden für eine dichte Begrünung. Ein Regenwasserspeicher wird für die Bewässerung der Pflanzen und die Sanitärspülungen verwendet.
Dank einer überdachten Holzveranda dient das Atrium auch als Erholungsort, den Mitarbeitende und Arealbesuchende für eine Pause nutzen können. Neben weiteren, auch für Externe mietbaren Sitzungsräumen stehen im Erdgeschoss ein Restaurant, ein Gym mit Café-Bar sowie abgeschirmte Sitzgelegenheiten zur Verfügung. Von hier aus erreicht man die ca. 10’000m2 Büroflächen in den vier Obergeschossen.
Gemeinschaftliche Nutzung
Die umlaufenden Raumabfolgen unterstützen den Austausch der Mitarbeitenden untereinander. Die offenen Grundrisse ermöglichen ein grosses Mass an Flexibilität und unterschiedliche Nutzungsweisen. Je nach Bedarf stehen den Teams abgeschirmte oder offene Sitzgelegenheiten in unterschiedlichen Grössen im Innern oder ganz informell auch draussen auf der Veranda zur Verfügung. Zugleich werden einige Bereiche geteilt. So verfügt jedes Stockwerk über gemeinschaftliche Aufenthaltsräume und Teeküchen. Das Erdgeschoss, ebenso wie die sich nach Süden zu dem vorgelagerten Park erstreckende Veranda ist offen für alle Arealbesuchenden.
Material-Kreisläufe
Hortus steht für House of Research, Technology, Utopia and Sustainability und setzt den Fokus auf innovative Nachhaltigkeitskonzepte. So lag dem Entwurfsprozess eine akademische Materialanalyse zugrunde, bei der Baumaterialien mittels neuester technologischer Tools auf ihre ökologischen und physikalischen Eigenschaften geprüft und miteinander verglichen wurden. Ein Hauptkriterium dabei war ihr natürlicher Ursprung aus nachwachsenden Rohstoffen. Ganz im Sinne des Cradle-to-Cradle-Prinzips sind alle verwendeten Bauteile katalogisiert worden und können als Teil des ökologischen Kreislaufsystems wiederverwertet werden. Der Lehm der Deckenmodule kann direkt wieder der Erde zurückgegeben werden.
Eine reduzierte Palette aus erneuerbaren Materialien wie Holz, Lehm und Zellulose unterstreichen den ökologischen Grundgedanken des mehrgeschossigen Holzrahmenbaus. Das Raster ist modular und Holzverbindungen werden gesteckt. Sie sind ohne Verwendung von Metallschrauben am Ende ihrer Nutzungszeit leicht demontierbar und vollständig wiederverwertbar.
Neues Deckensystem
In Zusammenarbeit mit ZPF-Ingenieuren, Basel haben wir ein neuartiges Deckensystem aus rechteckigen Holzelementen mit gestampftem Lehm entwickelt. Unter weiterer Mitwirkung von Blumer Lehmann und Lehm Ton Erde wurden die Deckenmodule gemeinsam perfektioniert. Ein Element besteht aus einem gefertigten Rahmen aus Holz, geschlagen in verschiedenen Wäldern der Umgebung. Zwischen eingelegte Massivholzbalken wird der Lehm in Form eines Gewölbes eingestampft. Der verdichtete Lehm wirkt dabei als Brandschutz und sorgt gleichzeitig für ein gutes und gesundes Raumklima. Er gleicht Feuchtigkeitsschwankungen aus und dient im Sommer als thermische Masse, um überschüssige Hitze aufzunehmen.
Für die Gewinnung des Lehms wurde der Aushub vor Ort verwendet. Der Kies aus dem Aushub wurde im gegenüberliegenden Schüttwerk gebrochen. In einer Feldfabrik auf dem Nachbargrundstück wurden die Decken fabriziert. Mit einem eigens für Hortus entwickelten Verfahren der Firma Lehm Ton Erde wurde in der Feldfabrik direkt vor Ort die Lehmmischung hergestellt und in die Holzdeckenmodule eingestampft. Die Erstellung der Hortus Decke verursacht 10-mal weniger CO2 Emissionen als eine konventionelle Flachdecke aus Beton mit vergleichbarer Traglast.
Energiepositiv und CO2-reduziert
Der Entwurf von Hortus basiert auf einer drastischen Minimierung des CO2-Fussabdrucks als entscheidendem Designfaktor und setzt auf ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept. Dabei werden Empfehlungen für ökologisches Bauen, wie z.B. der SIA 2040, noch übertroffen. Die kompakte Gebäudeform reduziert Energieverluste. Auf ein Kellergeschoss aus Beton wurde verzichtet, wodurch der Bau etwas über dem Boden schwebt. Die Luft unter dem Gebäude ist im Sommer kühl und im Winter warm. Dieser energetische Vorteil wird gemeinsam mit Geothermie, die das Haus mit Energie zum Heizen und Kühlen versorgt, zur Temperaturregulierung im Gebäude genutzt.
Eine Photovoltaik-Fläche von ca. 5000m2 auf dem Dach und entlang der externen Brüstungen sorgt für eine unabhängige Versorgung mit erneuerbarer und ressourcenschonender Solarenergie und schafft gleichzeitig so viel Überschuss, dass die graue Energie, die für den Bau des Gebäudes benötigt wurde, innerhalb von 31 Jahren komplett amortisiert wird.
Nachhaltigkeit bei Herzog & de Meuron
Herzog & de Meuron versteht Nachhaltigkeit als eine zentrale Herausforderung in der Architektur. Nachhaltigkeit soll nicht nur gebaut, sondern auch gelebt werden, mit dem Fokus auf einen ganzheitlichen Ansatz und dem Ziel einer Balance von ökologischen, ökonomischen und sozio-kulturellen Bedingungen.
Der Gebäudesektor ist laut Studien der Internationalen Energieagentur (IEA) und des World Economic Forums (WEF) verantwortlich für den Verbrauch von ca. 40% aller Rohstoffe und Energie. Er ist gleichzeitig einer der Hauptverursacher des weltweiten CO2-Ausstosses. Als Architekten sehen wir es als unsere Aufgabe, an dieser Schnittstelle Einfluss zu nehmen. Die Frage, wie man ein klimaneutrales Gebäude plant, ist eine architektonische Herausforderung, die nicht nur den Einsatz ökologischer Bauprinzipien erfordert, sondern als fortwährender Prozess betrachtet werden soll. Bei diesem geht es darum, für jede individuelle Situation den bestmöglichen Ansatz zu finden. Dies erfordert ein hohes Mass an Innovation und lösungsorientiertem Design, massgeschneidert für den jeweiligen städtebaulichen, geographischen und kulturellen Kontext.
Am Beispiel von Hortus möchten wir zeigen, dass nachhaltige Architektur zugleich ästhetisch, lokal, gesund und nützlich sein kann für Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft.
Quotes
«Wir müssen neu denken: Nachhaltigkeit sollte bei allem, was wir herstellen – ja überhaupt allem, was wir tun – im Vordergrund sein. Daraus wird unerwartete und überraschende Architektur mit einer eigenen Schönheit entstehen. Das ist eine Herausforderung, aber auch reizvoller Ansporn, weil dies ästhetische Normen in Frage stellt und uns neue Wege eröffnet.»
-Jacques Herzog
«Das Hortus-Projekt steht für maximale, ökologische Nachhaltigkeit – weiter lässt sich dieser Anspruch kaum steigern. Die Architektur folgt dem Lego-Prinzip: Alle Elemente sind modular aufgebaut, können vollständig rückgebaut und entweder der Natur zurückgegeben oder für andere Bauprojekte wiederverwendet werden. Wir haben Prinzipien aus der Healing Architecture auf den Bürobau übertragen. Durch den gezielten Einsatz von natürlichen Materialien, Licht, Luftqualität, die Verbindung zur Natur durch den begrünten Innenhof und die Förderung eines sozialen Miteinanders entsteht ein Arbeitsumfeld, das gesundheitsfördernd und inspirierend ist.»
-Stefan Marbach
«Hortus hat gezeigt, wie radikale Nachhaltigkeit in der Architektur möglich ist, um einen attraktiven Ort zu schaffen, an dem der Mensch im Mittelpunkt steht. Mit dem Projekt hat Herzog & de Meuron ein Nachhaltigkeits-Team ins Leben gerufen. Wir verstehen Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil, welcher frühzeitig in den Entwurfsprozess einfliesst. Wir als Experten-Team tragen mit konzeptionellem Denken, Erfahrung und neuesten digitalen Tools zur Entscheidungsfindung bei. So wie Hortus einen echten Beitrag zu Klimaschutz und Ressourcenschonung leistet, ist es unsere Aufgabe, diese Expertise auf andere Projekte zu übertragen.»
–Alexander Franz