Herzog & de Meuron Basel Ltd.
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Die Ich-mach dich-gesund-Stadt. Ein thematischer Rundgang durch das Kinderspital Zürich. Die Innenräume: Gespräch zwischen Christine Binswanger und Christina Horisberger. In: Axel Simon. Hochparterre. Zurich, 01-02.2025. pp. 12-21, p. 18-19.
Die Innenräume
Die Architektin Christine Binswanger arbeitet seit 1991 bei Herzog & de Meuron. Von 1998 bis 2002 war sie verantwortlich fur den Bau des REHAB Basel, das viele architektonische Prinzipien des Kinderspitals vorwegnahm. Heute ist sie Senior Partner des ArchitekturbĂĽros.
Christina Horisberger: ‹Healing Architecture› ist ein Ansatz, der nicht das Kranksein, sondern den Heilprozess ins Zentrum stellt. Gibt es eine Art Leitmotiv, das Herzog & de Meuron bei der Gestaltung der Innenräume verfolgt haben ?
Christine Binswanger: Mir gefällt der Begriff ‹Healing Environment› besser. Unser Leitmotiv war, eine Stadt im Kleinen entstehen zu lassen mit öffentlichen, eher lauten, halbprivaten und privaten Raumen. Sie alle sollten einen eigenen Charakter, eine eigene Identität besitzen und somit Orientierung in diesem komplexen Gebäude schaffen.
Ich kann Orientierung durch Beschilderung herstellen oder auch durch Raumanordnungen und Aussenbezuge. Dann entdecke ich Orte, an denen ich mich für eine Weile aufhalten möchte, denn die Tage in einem Spital sind oft lang. Wir wollten aber nicht verschleiern, dass es ein Spital ist. Und auch keine Hotelatmosphäre schaffen, was beim Spitalbau zurzeit en vogue ist.
CH: Wie haben Sie diesen Spagat zwischen Wohlbefinden und Spitalalltag konkret umgesetzt ?
CB: Gerade in einem Spital sind Details wichtig. Wir haben architektonischen Elementen eine Funktion gegeben, beispielsweise freistehende Säulen: Sie stehen nicht einfach im Weg, sondern haben umlaufende Tischchen auf verschiedenen Höhen, damit sie sich für Kinder und Erwachsene eignen. Es gibt nach innen gerichtete Hofe, die sehr städtisch wirken, oder das Bistro mit Ausrichtung auf die umgebende Natur. Das spürt man auch akustisch. Das Spital soll einladend sein und selbstverständlich, sich intuitiv entdecken und in Besitz nehmen lassen. Die Patientenzimmer sind in diesem Kontext die privatesten Raume.
CH: Die 114 Patientinnenzimmer wirken wie ein kleines Holzhaus mit eigenem Dach. Was war Ihnen dort besonders wichtig ?
CB: Dort zeigt sich, dass wir zwischen Architektur und Innenarchitektur keine Grenze ziehen. Es ist letztlich ein und dasselbe. Zum Beispiel das schräge Holzdach: Es ist das prägendste Element im Raum, erst recht, wenn ich im Bett liege. Im Gegensatz zu den Wanden ist die Decke nicht durch Spitalequipment verstellt, und sie muss auch keine hygienischen Anforderungen erfüllen. Gleichzeitig ist die Individualität der einzelnen ‹Holzhäuser› identitätsstiftend für das Haus mit Blick nach aussen. Durch die grossen Fenster sehe ich die Umgebung, die Stadt, historische Gebäude, den See. Die kleinen runden Klappen neben den Fenstern sind auf Kinderhohe. Sie geben den jungen Patientinnen und Patienten nicht nur das Gefühl, dass da etwas nur für sie gemacht wurde. Sie können die Klappen auch selber öffnen und schliessen, hören die Gerausche von draussen. Wir wollen ihre Neugier durch architektonische Mittel ansprechen.
CH: Ihr Ziel war es, aus dem Gebäude mit all seinen unterschiedlichen Räumen eine Einheit zu schaffen. Was heisst das für die Möblierung, die Materialisierung und die Farbgebung ?
CB: Natürlich mussten wir Möbel aussuchen, die stabil sind und die hygienischen Anforderungen an den Spitalbetrieb erfüllen. Wir haben keine starken Farben gewählt, sondern solche, die in den Innenhöfen vorkommen, in der umgebenden Natur: Gelb, Grün oder Braun. Einzig das rosafarbene Glas von Brüstungen und Eingängen sorgt für Kontrast – und auch für ein kleines Schmunzeln.
CH: Die Architektur und die Innenraumgestaltung sind für ein Akutspital ungewöhnlich. Gibt es Referenzen ?
CB: Unsere Präsentationen fanden manchmal im alten Kispi von Otto Rudolf Salvisberg statt. Das war ein Architekt, der Details ebenfalls pflegte, insofern war das fur uns sicher eine Referenz. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurden Spitaler leider oft radikal auf Funktionalität reduziert. Insbesondere dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden schenkte man zu wenig Beachtung; es gab beispielsweise grosse Innenbereiche ohne Tageslicht. Diese Spitaler werden heute umgebaut oder oft sogar abgebrochen, obwohl viel graue Energie in ihnen steckt. Beim ‹Healing Environment› geht es nicht nur um die Zeitersparnis im Businessplan. Ein paar Minuten Erholung zwischen zwei Behandlungen oder spontane Begegnungen sind für Mitabeitende wertvoll und gut investiert. Im REHAB Basel treffe ich heute noch auf Kolleginnen, die schon bei der Planung vor 25 Jahren dabei waren.