Das barocke âQuarrĂ©â hat die klassizistische Umdeutung durch den Bau des Brandenburger Tores, die zu höherer Ausnutzung drĂ€ngende wilhelminische Zeit und die beinahe totale Zerstörung der begrenzenden Bebauung durch den Krieg ĂŒberdauert.
Der Platz ist also da, er braucht nicht rekonstruiert zu werden. Allerdings fehlt ihm das stĂ€dtische GefĂŒge, das ihn ausgezeichnet hat und das ihm auch heute eine besondere Stellung einrĂ€umen wird. Als Stadttorplatz war das âQuarrĂ©â eine letzte stĂ€dtische Inszenierung am Ăbergang zur Landschaft. Dadurch, dass der Tiergarten als Park erhalten geblieben ist, kann man beim Durchschreiten des Brandenburger Tores erleben was sonst nicht mehr möglich ist: Das Hinaustreten vor die Stadt in die Landschaft hinein.
Die Platzbebauung
Der vorliegende B-Plan beschreibt die Idee eines Ortes. Er ist der Entwurf fĂŒr die zukĂŒnftige Platzgestalt. Die Beschreibung ist einseitig auf den Platz bezogen. Der Platzgrundriss, die Volumen und deren OberflĂ€chen werden beschrieben. Jedoch nicht Fassaden, sondern Baukörper begrenzen den Platz. Baukörper, die in ihrer Dichte und Struktur nicht vergleichbar sind mit jenen die einst den Platz sĂ€umten.
Diese Baukörper verlangen nach Ihrem je spezifischen Ausdruck. Es ist Aufgabe der Architektur, die Erscheinung der einzelnen GebÀude aus ihrer innerern Logik heraus und in Bezugnahme zum Ort zu definieren. Die Fassade ist Ort der VerschrÀnkung von inneren und Àusseren Bedingungen.
Die Bebauung des Platzes kann nicht rekonstruiert werden. Die baulichen Bedingungen, der einst gĂŒltige Gestaltungskanon und die Nutzungen sind heute völlig verschieden oder bestehen nicht mehr.
Baukörper mit Innenhöfen
Die Tiefe der Parzellen, der wirtschaftliche Druck zu hoher Ausnutzung und die gleichzeitige BeschrĂ€nkung der möglichen Bauvolumen lassen die einst dominierende Typologie des Stadtpalais mit rĂŒckwĂ€rtigen GĂ€rten nicht mehr zu. Diese Typologie wird ersetzt durch Baukörper mit Innenhöfen. Gemeinsame Höfe mit den benachbarten Parzellen sind gesetzlich nicht zugelassen (Nord- und Ostgrenze) oder unwirtschaftlich, da die gesamte AbstandsflĂ€che auf der eigenen Parzelle zu realisieren ist (Westgrenze).
Zwei Innenhöfe
Die fĂŒr die natĂŒrliche Belichtung und BelĂŒftung prĂ€zise in den Baukörper eingeschnittenen Höfe bilden wichtige innenliegende Bezugspunkte. Sie strukturieren den Baukörper, sind Elemente der Orientierung und prĂ€gen die Ordnung der Nutzung.
Die Höfe sind von einer durchgehenden Glashaut umhĂŒllt und bilden so eigentliche Lichtkörper. In ihrer Figur identisch, erhalten sie ĂŒber die unterschiedliche BegrĂŒnung, hier ĂŒppiges, feuchtes, geometrisch geformtes GrĂŒn, dort zartes, trockenes, organisch wachsendes GrĂŒn, eine unverkennbare IdentitĂ€t.
Dabei ist es wichtig, dass sie sich die Höfe in die Tiefe der Parzelle entwickeln. Zusammen mit der querliegenden Empfangshalle lassen sie den Besucher beim Eintreten das GebĂ€ude in seiner ganzen Dimension durchmessen. Parallel zur Platzfassade angeordnete Höfe wĂŒrden eine ungewĂŒnschte und der Nutzung unangepasste Hierarchisierung erzeugen. ZusĂ€tzlich gestaltet sich der sommerliche WĂ€rmeschutz bei den nord-/sĂŒdorientierten Höfen wesentlich leichter. Auf eine zusĂ€tzliche mechanische BelĂŒftung kann verzichtet werden.
Die Emfpangshalle ist zugleich Ort des Verweilens und der Bewegung. Von hier aus verteilen sich die Besucherströme. Ăber die beiden Haupterschliessungskerne sind die verschiedenen Nutzungseinheiten zu erreichen, die hauptsĂ€chlich je einem Hof zugeordnet sind. So erkennt der Besucher jederzeit seinen Standort.
Die Empfangshalle kann mittels einer mobilen Trennwand mit dem Veranstaltungsraum zu einer Raumeinheit zusammengefasst werden. Die Empfangshalle ist somit eine ideale Erweiterung dieses Bereiches.
Alle Gemeinschaftsbereiche sind nach Möglichkeit auf den Pariser Platz orientiert (Veranstaltungsraum, Kantine, Clubraum etc.) So auch die Sitzungszimmer die auf die verschiedenen Geschosse verteilt sind. Zu ihnen gehört jeweils ein Foyer, das die Innenhöfe rÀumlich bis zum Pariser Platz ergÀnzt.
Die Platzfassade ist aus Stein. Schnörkellos begrenzt sie den Platzraum. Die FassadenflÀche ist den Vorgaben entsprechend klassisch gegliedert. Im Sockelbereich wird der Marmor geschliffen, so dass seine Maserierung sichtbar wird. Im Mittelbereich bis zum Dachrand werden die Marmorplatten sÀgerauh belassen oder sandgestrahlt. Die OberflÀche erscheint in einem dumpfen, grauen Weiss. Das Staffelgeschoss schliesslich wird durchgehend verglast.
Die Transluzenz der Marmorplatten wird genutzt, um besondere Bereiche wie z.B. den Veranstaltungsraum, die Kantine oder die Foyers tagsĂŒber mit mehr Tageslicht zu versorgen, welches grossflĂ€chig durch die Fassade ins GebĂ€deinnere eingelassen wird.
Umgekehrt leuchten nachts diese besonderen Bereiche nach draussen und werden auf der steinernen FassadenflÀche des GebÀudes ablesbar.
Die Fassade ist wie eine traditionelle, steinerne, also abschliessende FlÀche mit den darin eingeschnittenen, verordneten Fensteröffnungen ausgebildet; gleichzeitig wirkt sie aber auch als Lichtmembran, welche das GebÀude als vielschichtigen Körper und nicht bloss als platzbegrenzende FlÀche erkennbar werden lÀsst.
Herzog & de Meuron, 1995