Herzog & de Meuron Basel Ltd.
Rheinschanze 6
4056 Basel, Switzerland
Email: info@herzogdemeuron.com
Phone: +41 61 385 5757
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Urban Study, Basel, Switzerland
Vorgeschichte des Projekts
Der Verband Basler Bauunternehmer lud den Künstler Rémy Zaugg ein, ein Projekt für die Verkehrsinsel des Rüdenplatzes zu entwerfen.
Diese Verkehrsinsel, ein nierenförmiges Dreieck mit abgerundeten Ecken, eine ehemalige Tramhaltestelle, an der lange ein Kiosk stand, wird an ihrer längsten Seite von Tramgleisen gesäumt. Die längste der beiden übrigen Seiten liegt genau in der Mitte des kanalisierten und überdeckten Birsigflusses, dessen unsichtbarer Lauf unter der ganzen Stadt hindurchführt: vom Zoo bis zum Rhein, in den er etwas unterhalb der Mittleren Brücke mündet.
Die städtebauliche Studie «Eine Stadt im Werden?», die Herzog & de Meuron 1991/92 in Zusammenarbeit mit Rémy Zaugg über die grosse Dreiländer-Agglomeration Basel durchführten, fusste im wesentlichen auf der Topographie, insbesondere auf dem Rhein und dessen Zuflüssen Birs, Wiese und Birsig. Der Birsig, der das historische Zentrum der Stadt mitgeprägt hat, fliesst genau unter der Verkehrs-insel des Rüdenplatzes hindurch. Rémy Zaugg erinnerte sich an das Projekt, das seine Architektenkollegen im Jahre 1979 zur Neugestaltung des Marktplatzes vorgelegt hatten; es verfolgte den Zweck, die Existenz des unter der Stadt hindurchfliessenden Birsigflusses sichtbar und zudem die gegenwärtige Form der Altstadt verständlicher zu machen. So lud Rémy Zaugg seinerseits Herzog & de Meuron ein, sich am Projekt für den Rüdenplatz zu beteiligen.
Die Form der Basler Innenstadt ist hauptsächlich aus der Entwicklung einer zwischen Münsterhügel und Petersberg/Leonhardsberg eingebetteten Talstadt des Birsigflusses zu verstehen. Der Birsig war als topographisches Element, als Kloake, als Energiespender für die ansässigen Bewohner und Handwerker sowie als Wasserkraft während Jahrhunderten ein zentrales städtebauliches Element. Die strategische Bedeutung des von Rhein und Birsig begrenzten Hügels dürfte den Römern nicht entgangen sein, die hier die im Jahre 58 v. Chr. von Bibracte zurückgebrachten Helvetier ansiedelten. Sie schlossen den zungenförmigen Hügel mit einem Wall ab.
Der städtebauliche Niedergang der Innenstadt verläuft parallel zum Verschwinden des Birsigs im Stadtbild, zum Verschwinden von Birsigbrücken und -stegen, zum Verschwinden von Hinter- und Vorderfassaden (Falknerstrasse), zum Begradigen von topographischem Gefälle, Einebnen und Schleifen von Unterschieden; zunehmende architektonische Uniformität, natürlich auch bedingt durch zunehmende Uniformität der Nutzungen, ist die logische Folge.
In den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts war es soweit, dass der Birsig vom Rhein bis zur Heuwaage zugedeckt und als städtisches, architektonisches Element verschwunden war. Gleichzeitig wurden durch Gassen- und Strassenverbreiterungen Plätze geöffnet (Barfüsser- Marktplatz, Fischmarkt), spezifische Formen beseitigt und durch nichts Gleichwertiges ersetzt. Die Talstadt wurde weitgehend zerstört.
Kommentar zu Bild 1:
Vgl. Bild 1
Der Ausschnitt aus dem Löffelplan zeigt die mittelalterliche Situation wie sie bis ins späte 19. Jahrhundert hinein Bestand hatte.
Auffallend sind die abwechslungsreiche räumliche Gliederung (eng – weit) der Gassen sowie die geschlossenen, räumlich definierten Formen der Gassen und Plätze (Barfüsserplatz, Blumenplatz beim Hotel Drei Könige, Petersberg, Marktplatz). Die Falknerstrasse zeigt einen offenen Birsig mit Stegen und Brücklein und Hinterfassaden. Der Birsig gleicht einem Rückgrat, das die Form der Stadt wesentlich geprägt hat.
Dem Fluss seine Präsenz zurückgeben
Vgl. Bild 2.
Dem Fluss die Möglichkeit geben, wieder zu Wort zu kommen. Ihm die Sprache zurückgeben. Zu welchem Zweck? Auf dass die Städter seine begründende, strukturierende, formgebende Funktion wahrnehmen. Die ferne und die nahe, die vergangene und die gegenwärtige Geschichte bewusst machen, ohne welche die auf die kommende Zeit ausgerichtete Gegenwart überhaupt nicht wäre. Fehlt es an kultureller Fülle oder Dichte, ist kluge, zukunftsgerichtete Gegenwart illusorisch. Im Verlauf des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Fluss zu einer schändlichen, stinkenden, widerwärtigen Sache, zu einer gesundheitsschädlichen, verderben-bringenden Kloake, während die Verkehrsmittel Fortschritt und Sauberkeit, Umsicht und sogar Schönheit bedeuteten. Der Fluss musste also verschwinden, um Automobil, Tram, Autobus usw. allgegenwärtig werden zu lassen. Heute, kurz vor Beginn des dritten Jahrtausends, ist die Situation umgekehrt: Der Stadtfluss taucht wieder auf, während die Ehgräben für Lärm, Blech und Motoren, zu denen unsere Gassen und Strassen verkommen, in das keiner Beachtung würdige Dunkel des Untergrundes verlegt werden. Stets von neuem, zu jeder Zeit, heute, gestern oder morgen, wird das, was man liebt, vorgezeigt und geachtet, und was geachtet wird, bildet das Begriffsvermögen und beeinflusst die Verhaltensweisen. Dass man sich der Existenz des Flusses im Untergrund der Stadt bewusst wird, könnte zur Erkenntnis der Bedeutung führen, die der Fluss für Gründung und Wachstum der Stadt hatte. Dieses Verständnis könnte seinerseits die Städter für urbane und architektonische Eigen-tümlichkeiten empfänglich machen und sie dazu bewegen, die urbanen Besonderheiten und Subtilitäten wiederzufinden, die, wenn sie sich ausdrücken, einen Nicht-Ort in einen Ort verwandeln.
Was jedoch ist zu tun, damit der Fluss sich von neuem ausdrückt?
Zunächst könnte man ihn an mehreren Stellen wieder auftauchen lassen. Ihn dem Blick vorführen. Ihn den Ohren darbieten. An verschiedenen Punkten seinen ganzen Lauf entlang, um die Präsenz des die Stadt durchquerenden Flusses spürbar zu machen. Zwei unterschiedliche Weisen bieten sich an: Entweder legt man Öffnungen an, die es dem in die Tiefe gerichteten Blick ermöglichen, das Wasser dort unten, im Flussbett, zu sehen, oder man holt den Fluss an die Oberfläche und bringt ihn in physische Nähe. Das gezeigte Wasser muss nicht unbedingt das des Flusses sein, sondern verweist auf oder bedeutet das Flusswasser. Es ist nicht notwendig, den Flusslauf gegen die Oberfläche umzuleiten. Das Vorzeigen braucht nicht wörtlich zu geschehen; es genügt, wenn es symbolisch erfolgt, zum Beispiel durch die Vermittlung eines Brunnens. Die Beziehung zwischen Brunnen und Fluss ist allerdings nicht nur topographischer Art, sondern auch direkt: Das Wasser des Brunnens fällt in das Flussbett und vermischt sich mit dem Flusswasser. Der Städter sieht und hört das Brunnenwasser nach unten stürzen. Jeder eingerichtete Wasserpunkt verweist auf einen anderen Punkt und auf die übrigen Orte, die in ihrer Gesamtheit den Lauf des Flusses nachzeichnen und kommentieren sowie die topographischen, architektonischen und urbanistischen Besonderheiten der Stadt hervortreten lassen. So drückt sich der Fluss durch die verschiedenen, von ihm selbst gewünschten punktuellen Interventionen aus.
Vgl. Bilder 3a, 3b.
Der Brunnen passt sich der Form der Verkehrsinsel an, die im Mittelpunkt des Platzes liegt. Er nimmt so viel Fläche wie möglich ein, um seinen Willen zur Begründung eines Ortes zu verdeutlichen, der heute weder ein Platz noch eine Gasse ist. Der Brunnen liegt gleich hoch wie die Strasse. Der Grund des Beckens befindet sich auf demselben Niveau wie die Strassendecke, die er gewissermassen verlängert. Der Brunnen ist also nicht auf einen Sockel gesetzt. Er ist nicht erhöht, denn er will mit den Leuten sein, damit die Leute mit ihm und – im Sommer – in ihm sein können. Dennoch will sich der Brunnen als Brunnen behaupten. Nicht weil er sich selbst zur Geltung bringen möchte, sondern um aus seinem Standplatz einen Ort zu machen. Deshalb ist das Material, aus dem er besteht, unalltäglich. Es ist weder Kalkstein noch rosa Sandstein, wie beispielsweise das neugotische Gebäude der Hauptpost. Das Becken besteht aus poliertem weissem Kunststein. Seine Seiten sind 120 cm hoch. Der Rand ist nach innen abgeschrägt. Das Wasser des Beckens bedeckt ihn und fliesst über die Kante hinweg, um in einer Rinne gesammelt zu werden, die sich um den ganzen Brunnen zieht. Die horizontale Wasserfläche ist also von jedem – nahen oder fernen – Punkt des Platzes aus zu sehen, beispielsweise von den Trottoirs aus, falls diese überhaupt erhalten bleiben. Man sieht sie auch von der Strassenbahn aus, die dem Brunnen entlangfährt: Die im Tram sitzenden Leute dominieren einen Augenblick lang die Wasserfläche. Da das Wasser gleichmässig wie ein Film über den Beckenrand fliesst, ist der Brunnen ein statischer und zugleich beweglicher, auf die Strasse gesetzter Wasserkörper. Das gesamte Wasser, das sich in der das Becken umziehenden Rinne sammelt, wird gegen den Teil der Rinne gelenkt, der sich genau über der Mittelachse des kanalisierten Birsiglaufes befindet, wo es durch eine Art Schlitz im Belag in den Fluss hinabstürzt. Der Fall des Wassers ist zu hören. Es klingt ein bisschen so, als ob man am Ufer des Flusses wäre. Das Geräusch des Wassers scheint den Fluss sichtbar zu machen. Des Abends wird das Wasser von Scheinwerfern erleuchtet, die im Grund des Beckens angebracht sind. Abends ist der Brunnen mehr als ein Wasserkörper, er ist zugleich ein Lichtkörper. Das durch die leicht
gekräuselte Wasserober-fläche gebrochene Licht belebt die Fassaden des Ortes.
Die Neonbuchstaben der Wörter sind weiss. Ihr etwa 75 cm hoher Körper ist auch tagsüber zu sehen. Das Weiss des polierten Kunststeins entspricht dem Weiss des glatten Kunststoffes. Das gleiche gilt für Abend und Nacht: Das weisse Licht des Brunnens, die diskret von Lichtreflexen belebten Fassaden und das weisse Licht der auf den Dächern der drei den Platz umstehenden Gebäude befestigten Neonbuchstaben bilden zusammen ein vertikales Volumen, einen im-materiellen Skulptur- oder Baukörper.
Die sichtbare stille Vertikalität des Lichtes findet ihr Gegenstück in der unsichtbaren, doch geräuschvollen Vertikalität des Wassers, das in den Fluss stürzt. Das hörbare Unsichtbare verlängert das Sichtbare, das Sichtbare verlängert das Unsichtbare. Die vier Wortpaare in weissem Neon – DER FLUSS/WOLKEN, WÄLDER/FELSEN, BÄUME/FELDER[1] und REGEN/SONNE/SCHLUCHT spielen auf die Natur an, beispielsweise auf den Ort, wo der Fluss entspringt, oder die Landschaft, die er durchfliesst, doch vielleicht berichten diese Wörter auch von dem, was der Rüdenplatz einst gewesen war, bevor die Kelten diesen Ort entdeckten und sich in seiner Nähe niederliessen.
Herzog & de Meuron, 2003
1BÄUME/FELDER Wettbewerb 1995, geändert in BÄUME/GRAS 8/2000
Judit Solt: “Wand und Wort. Leuchtschriften bestimmen seit hundert Jahren das Bild der Stadt.” In: Verlags-AG der akademischen technischen Vereine (Ed.). “Tec 21.” Vol. No. 7, Zurich, Verlags-AG der akademischen technischen Vereine, 2002. pp. 7-11.
Hubertus Adam: “Umgestaltung des Rüdenplatzes. Basel.” In: Peter Rumpf (Ed.). Bauwelt. Vol. No. 11, Gütersloh, Bertelsmann Fachzeitschriften GmbH, 16.03.2001. p. 5.
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