Mit seinem über 3000 Meter hohen Gipfel gehört der Titlis zu den international bekanntesten Destinationen der Schweiz, der Touristinnen und Touristen aus der ganzen Welt anzieht. Die bestehende Infrastruktur wurde nicht für diese Besucherströme konzipiert und stösst mittlerweile an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Bergstation der Seilbahn (Rotair) wurde im Jahr 1967 erbaut und seither mehrmals erweitert und umgebaut. In rund 200 Metern Entfernung steht ein 50 Meter hoher Richtstrahlturm aus den 1980er Jahren. Der Turm wird nur noch im obersten Bereich für Antennenanlagen genutzt, weshalb eine touristische Nutzung in den unteren Bereichen möglich ist. Ein unterirdischer Stollen verbindet den Turm mit der Bergstation.
Herzog & de Meuron wurde im Jahr 2017 damit beauftragt, im Rahmen eines Masterplans für den gesamten Gipfel, die Bergstation zu erneuern und den Richtstrahlturm touristisch zu aktivieren. Eine eingehende Untersuchung des Bestands der Bergstation, nicht zuletzt des Tragwerks, zeigte, dass ein Umbau die drängenden Probleme der Zirkulation und der Orientierung nur in ungenügendem Mass und mit unverhältnismässigem Aufwand verbessern kann. Aufgrund dieser Erkenntnisse wird die Bergstation durch einen Ersatzneubau ersetzt. Dieser umbaut die bestehende Seilbahn und schliesst diese in das neue Gebäude ein.
Turm
Der Richtstrahlturm verfügt über eine klare Stahlstruktur. In die bestehende Struktur werden zwei horizontale Gebäudevolumina mit der gleichen industriellen Stahlbautechnik eingeschoben. Dadurch entsteht eine ikonische, kreuzförmige Figur, welche das ursprüngliche Infrastrukturbauwerk zu einem weithin sichtbaren Zeichen transformiert. Die beiden sich kreuzenden Balken sind verglast und beherbergen eine Bar und ein Restaurant. Insgesamt bietet der Turm Raum für 330 Sitzplätze. Zusätzlich zu den beiden horizontalen Baukörpern, werden die bestehenden vier Vertikalträger um vier Erschliessungsstrukturen erweitert. Diese helfen einerseits die erhöhten Lasten abzutragen und nehmen andererseits die Lifte und Treppen auf. Der heutige Betonsockel ist tief im Felsen gegründet und schliesst an den unterirdischen Verbindungsstollen zur Bergstation an. Damit wird eine direkte, wettersichere Anbindung möglich.
Bergstation
Wie ein flacher Kristall schiebt sich die Station aus dem Berg heraus. Die bestehende, in das neue Gebäude integrierte Seilbahn gleicht einer Inklusion, wie man sie bei Kristallen findet. Strukturell verwandt mit dem Turm bildet die Station einen horizontal liegenden Körper und tritt dadurch nicht in Konkurrenz zu dessen Zeichenhaftigkeit. Ein komplexes, dreidimensional den Innenraum prägendes Tragwerk bestehend aus Zug- und Druckstützen leitet die Last des Gebäudes in den zentral unter der Bergstation verlaufenden Felsgrat. Das Tragwerk spannt einen hallenartigen Innenraum auf, der ein neues Zentrum in der Bergstation schafft. Es entsteht ein Raum, um auf dem Berg anzukommen und sich zu orientieren. Die Bergstation nimmt mit ihrer Form die Topografie des Ortes auf. Eine geneigte Ebene schiebt sich in die Halle und verbindet das Perron Geschoss über Rolltreppen mit dem höher liegenden Ausgang zum Gletscher. Die geneigte Ebene setzt sich weiter nach unten fort und mündet in einem Rundgang unterhalb der Seilbahnstation, der den Gästen den bis anhin versperrten Ausblick nach Westen eröffnet. Im obersten Geschoss der Bergstation befinden sich zwei Restaurants mit insgesamt rund 600 Sitzplätzen.
Herzog & de Meuron, 2023