zur Brückenkonzeption
Die Brücke ist als einfacher Balken konzipiert. Dieser Brückenbalken ist mit rechtwinkligen, fensterartigen Öffnungen versehen, welche der Brücke den Ausdruck eines Gebäudes verleihen. Da es sich um eine städtische Autobahnbrücke handelt, ist sie ja nicht ein isoliertes Stück Ingenieurbaukunst inmitten einer idyllischen Landschaft, sondern ein Teilabschnitt eines zusammenhängenden Verkehrsystems, das wie ein weitverzweigtes, meist unterirdisch angelegtes Gebäude in den Stadtkörper hineingebaut ist. Dieser unterirdische Baukörper ist meist unsichtbar im Boden vergraben; auf dem darüberliegenden Stadtboden ahnt man kaum etwas davon, ebensowenig wie die Insassen der Fahrzeuge ahnen, wo sie sich innerhalb des Stadtkörpers gerade befinden. An ausgewählten Orten taucht er auf und die geballte Ladung von Personen und Frachtverkehr tritt ans Tageslicht. Ein solcher Ort ist die Brücke; sie ist der bedeutendste sichtbare Abschnitt des ganzen Strassenbauwerks, und dies in doppelter Hinsicht:
von Aussen betrachtet, also für die Stadtbewohner, weil etwas im Stadtkörper Verborgenes visualisiert und auf diese Weise verständlich und erkennbar wird.
von Innen betrachtet, also für die Fahrzeuginsassen, weil der Ausblick auf den Fluss eine Beziehung zwischen dem unterirdischen Bauwerk, in dem sie sich bewegen, und dem Stadtraum hergestellt wird.
Die Brücke ist deshalb wie ein über den Fluss gelegtes Stück des Stadtkörpers konzipiert, so als würde die Stadt von einem Ufer zum anderen wachsen und nicht bloss die beiden Uferseiten miteinander verbinden. Auch wenn es sich um eine Autobahnbrücke handelt, liegt hier eine stadträumlich verwandte Absicht zugrunde wie bei den mit Häusern bebauten Brücken des Mittelalters, wie z.B. dem Ponte Vecchio in Florenz. In beiden Fällen wird – selbstverständlich aus anderen Gründen – eine stadträumliche Kontinuität über die Brücke hinweg angestrebt.
zum “Vorland”
Diese Konzeption der neuen Brücke gestattet einen buchstäblich nahtlosen und fliessenden Übergang zu den Vorlandbereichen auf beiden Seiten. Die Brückenfassaden verschmelzen mit den Festlandfassaden, welche für die unterschiedlichen Drittnutzungen ideale Unterteilungen erlauben. Der im Ingenieurjargon immer wieder auftauchende Begriff “Vorland” trifft den Charakter dieser städtebaulich etwas vernachlässigten, vagen Orte eigentlich recht gut. Meist werden diese Zonen zum Tummelfeld der Architekten, während die Ingenieure sich um die Brücke kümmern. Im vorliegenden Projekt ist die Brückenkonzeption von den Ingenieuren und den Architekten gemeinsam erarbeitet worden, so dass sich die Gestaltung des Vorlandbereichs wie von selbst, als Teil der Gesamtkonzeption, ergab. Die Gestaltung im “Vorland” auf beiden Rheinseiten ist ein Versuch, die jetzige, mit zahllosen Rabatten, Hecken und Abschrankungen verunklärte Situation zu entrümpeln und vereinfachen, wo es geht. Zusätzliche Baumreihen auf der Parkseite in Kleinbasel und bei der Überbauung St. Johann in Grossbasel werden die räumlichen und akustischen Verhältnisse an diesen Orten verbessern.
zur Tragkonstruktion: Orthogonal- Diagonal
Auf den ersten Blick scheint es sich beim Brückenbalken um eine Virendell-Konstruktion zu handeln, da die Orthogonalität der Fensteröffnungen gegenüber den diagonalen Zugstäben stärker in Erscheinung tritt. In Wirklichkeit ist die Tragkonstruktion jedoch eine verschobene Fachwerkkonstruktion mit zwei Diagonalen in jedem Fensterfeld. Durch diese Massnahme des Verschiebens werden die vertikalen und die diagonalen Kräfte verselbständigt zum Ausdruck gebracht, währenddem sie bei einem herkömmlichen Fachwerk eine optische Einheit bilden.
Die vertikale Ordnung tritt deshalb als eine eigenständige orthogonale Kraft in Erscheinung und bezieht sich auf die Architektur der Stadt, währenddem die diagonalen Stäbe, die Überwindung der grossen Spannweiten zwischen den Brückenpfeilern, die eigentlichen Zugkräfte der Brücke zum Ausdruck bringen.
zum Baumaterial
Die Brücke wird aus Stahl und Stahlbeton gebaut. Der Stahlbeton ist aufgrund der grossen Belastungsanforderungen sehr stark armiert, d.h. er ist beinahe selbst wie gegossener, massiver Stahl. Ein schwarz-grauer, metallisch mattglänzender Schutzanstrich wird die Betonoberfläche nicht nur vor den Witterungseinflüssen schützen, sondern diese innere Materialverwandschaft auch Aussen zum Ausdruck bringen.
Herzog & de Meuron, 1995