Sie unterscheidet sich also sowohl im Material, in der Farbe und in der konstruktiven Gestalt deutlich von der unmittelbar angrenzenden Sichtbetonbrücke, welche von jedermann sofort als Autobahnbrücke erkannt werden kann.
Wir verzichteten ganz bewusst auf nach oben oder unten gerichtete Bogenkonstruktionen, auf hochragende Pilone oder eine andere expressive Brückenstatik. Deshalb ist die neue Eisenbahnbrücke als Fachwerk ausgebildet, welches als durchlaufender Balken wirkt, der ein Ufer mit dem anderen verbindet. Dieser in ihrer Schlichtheit beinahe radikalen und dennoch einprägsamen Gesamtform entspricht auch die Einfachheit und die pragmatische Durchbildung der konstruktiven Details.(z.B die Anschlusspunkte der verschiedenen Blechteile und die Ueberlegungen zum Bau und zum Unterhalt der Brücke).
Die regelmässige und gleichförmige Gestalt der Brücke, die wie ein Balken über dem Rhein liegt, nimmt Bezug auf das Fliessen des Wassers, das Gleiten der Züge und auf die angrenzende städtische Landschaft, die beiden begrünten Rheinufer und das markante Kraftwerk Birsfelden. Die diagonalen Streben des Fachwerks treten in einen Dialog mit den Y-Trägern der Turbinenhalle. Die grüne und schwarze Einfärbung sämtlicher Metallteile verstärkt die räumliche Beziehung zu diesem Gebäude, bei welchem die grüne Farbe auch schon im Sinne einer Einbindung in die naturhafte Umgebung eingesetzt wurde.
Die neue Eisenbahnbrücke bildet also im Zusammenspiel mit dem Kraftwerk Birsfelden und den beiden begrünten Rheinufern einen neuen, städtebaulich und gestalterisch sorgfältig abgestimmten Raum, der sich zu einem wichtigen Naherholungsbereich der Stadt entwickelt: ein gemeinsam zu nutzender Stadtraum für die Badenden am Birskkopf, die Sportler auf dem neuen Rankhofareal, die Spaziergänger und die Fischer an den Rheinufern und die Quartierbewohner beidseitig des Rheins.
Die Gestaltung der beiden Brückenköpfe ist ebenso unspektakulär und selbstverständlich wie die Brücke selbst. Sie ergibt sich beinahe zwingend aus der Fortführung der vorhandenen Baustruktur aus Sichtbeton, welche auf der Grossbasler Seite beim Bau der Autobahn angelegt wurde und nun ergänzt und den neuen Bedürfnissen angepasst werden kann (Brückenauflager, Fussgängersteg).
Auf diese Weise entsteht eine sehr einfache Gesamtanlage – nicht wieder etwas völlig Neues, welches das Bestehende degradiert und dann doch wieder nur Stückwerk bleibt. Die gegenüber der heutigen Situation zurückgesetzten Widerlager schaffen ausserdem mehr Raum im Bereich der Rheinuferpromenaden.
Von der Westseite her betrachtet bleibt die neue Fachwerkbrücke trotz ihrer Höhe von 11.40 m hinter der breiten Autobahnbrücke beinahe verborgen. Auch von dieser Seite aus zeigt sich die regelmässige und gleichförmige Brückensilhouette vor dem Chrischonahügel und dem Grenzacher Hornfelsen im Hintergrund als eine der Aufgabe angemessene, schlichte Form.
Herzog & de Meuron, 1994